Warum HDL-Cholesterin (HDL-C) nicht immer das „gute“ Cholesterin und die Verwendung des LDL/HDL-Quotienten in der Labordiagnostik obsolet ist
Lange Zeit wurde das HDL-C ausschließlich als „gutes“ Cholesterin betrachtet („je höher, desto besser“), was nicht selten auch in der Patientenberatung kommuniziert wurde. Heute wissen wir, dass nicht nur niedrige, sondern auch sehr hohe Serum-Konzentrationen von HDL-C mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität einhergehen. Hohes HDL-C kann daher nicht mehr im Sinne eines verminderten Risikos für atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen eingestuft werden und der zum Teil in der Labordiagnostik noch verwendete Quotient LDL/HDL dürfte obsolet sein. Weiterhin gilt, dass LDL-C der relevanteste pathogenetische Faktor für Atherosklerose-bedingte Erkrankungen ist.
In der vorliegenden Übersicht dürfen wir Sie über den aktuellen Wissensstand zur diagnostischen Relevanz von HDL-C informieren.
Physiologische Funktionen von HDL-C
- beim reversen Transport von Cholesterin aus den Makrophagen zur Leber, wo es über die Gallenwege enteral ausgeschieden werden kann,
- beim Endothelschutz, da es die Anheftung von Monozyten an das Endothel hemmt und endotheliale Reparaturmechanismen unterstützt sowie antiaggregatorische und antikoagulatorische Wirkungen ausübt,
- beim antioxidativen Schutz. Die mit HDL assoziierte Esterase Paraoxonase 1 (PON1) hemmt die Entstehung von Lipidperoxiden,
- durch antiinflammatorische Wirkungen mit Entzündungshemmung.
HDL-C als Risikoindikator für kardiovaskuläre Ereignisse
Abbildung 1: HDL-C-Konzentrationen und KHK-Risiko, modifiziert nach Di Angelantonio et al., 2009 und März, 2017
Auch die Effekte von Pharmaka, die HDL-C erhöhen, wie z. B. Fibrate oder Niacin (Group et al., 2014), auf kardiovaskuläre Ereignisse sind inkonsistent. Niedriges HDL-C kann als Folge metabolischer Erkrankungen auftreten und ist häufig mit einer Hypertriglyceridämie assoziiert. Alkoholkonsum, Rauchen, Bewegungsmangel und Übergewicht begünstigen niedriges HDL-C.
b) Hohes HDL-C
Zahlreiche neuere Studien zeigen, dass nicht nur niedriges, sondern auch hohes Plasma-HDL-C mit Werten über 80 mg/dl mit einer erhöhten Gesamt- und kardiovaskulären Mortalität assoziiert ist (Liu et al., 2022, Trimarco et al., 2022).
Die Beziehungen zwischen HDL-C und kardiovaskulärer Mortalität zeigen einen „U-förmigen“ Verlauf mit erhöhten Risiken bei sehr niedrigen und sehr hohen Werten.
Hohes HDL-C kann nicht mehr als „Schutzfaktor“ eingestuft werden und der früher häufig angegebene Quotient LDL-C/HDL-C ist nicht mehr sinnvoll.
HDL-C und nicht-kardiovaskuläre Erkrankungen
Niedriges HDL-C kann bei Patienten mit metabolischem Syndrom und Diabetes Typ 2 nachgewiesen werden sowie mit systemischen Entzündungsprozessen im Zusammenhang stehen (März et al., 2017). Wahrscheinlich ist HDL-C hier nur ein Risikoindikator und kein ätiologisch relevanter Faktor (Grammer, 2016).
Hohes HDL-C wurde mit einem erhöhten Risiko für Demenz einschließlich M. Alzheimer assoziiert (Kjeldsen et al., 2022), wobei keine Hinweise auf eine genetische Kausalität gefunden wurden.
Hinweise für die Praxis:
Für die Diagnostik kardiovaskulärer Risikofaktoren bieten wir 3 verschiedene „Cardio-Check“-Profile an.
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Literatur
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Di Angelantonio et al.: Major lipids, apolipoproteins, and risk of vascular disease. JAMA 2009; 303: 1993–2000
Grammer, T. et al.: „Residuales Risiko“: Wie wichtig sind High-Density-Lipoproteine und Triglyceride? Dtsch. Med. Wochenschr. 2016; 141: 870–877
Group, H. T. C. et al.: Effects of extended-release niacin with laropiprant in high-risk patients. N. Eng. J. Med. 2014; 371: 203–212
Kjeldsen, E. W.et al.: HDL cholesterol concentrations and risk of atherosclerotic cardiovascular disease – insights from randomized clinical trials und human genetics. Biochem. Biophys. Acta Mol. Cell. Biol. Lipids2022; 1867: 159063. Doi: 10.1016/jbbalip.2021.159063
Liu, C. et al.: Association between high-density lipoprotein cholesterol levels and adverse cardiovascular outcomes in high-risk populations. JAMA Cardiol. 2022; 7: 672–580
Madsen C. M. et al.: Novel insights from human studies on the role of high-density lipoprotein in mortality and noncardiovascular disease. Arteroscler. Thromb. Vasc. Biol. 2021; 41: 128–140
März, W. et al.: Klinische Bedeutung des HDL-Cholesterins. Herz 2017; 42: 58–66
Silbernagel, G. et al.: High-density lipoprotein subclasses, coronary artery disease and cardiovascular mortality. Clin. Chem. 2017; 63: 1886–1896
Trimarco V. et al: High HDL (high density lipoprotein) cholesterol increases cardiovascular risk in hypertensive patients: Hypertension 2022; 79: 2355–2363
von Eckardstein, A. et al.: High-densitiy lipoprotein revisited: biological functions and clinical relevance. Eur. Heart J. 2022: ehac605, doi: 10.1093/eurheartj/ehac605
von Eckardstein, A. et al.: HDL – Quo vadis. Dtsch. Med. Wochenschr. 2023; 148: 627–635